114 115 22-alt 24-alt 25-alt 26-alt 27-alt 28-alt 29-alt closeclose_weisscross cross_weiss Marker Reallabor Future citylogo_icon Logo-weiss-minilogo_icon_weiss_alt Reallabor Logo nur schriftpfeil_blau-big_vert pfeil_blau_dropdown pfeil_blau_hor pfeil_blau_vert pfeil_orange_hor pfeil_orange_vert pfeil_weiss_dropdown pfeil_weiss_hor icons iconsicons iconsiconsiconsiconsiconsiconsicons iconsicons

Atlas der Mobilität, Forschungsprojekte und Ergebnisse

Zurück zur Übersicht

Die Bürger-Rikscha

Idee

Das Realexperiment „Bürger-Rikscha“ befasst sich mit dem Thema Mobilität aus einer Perspektive, die wir alle (hoffentlich) irgendwann einmal einnehmen werden: aus der Perspektive des Alters. Ältere Menschen sind häufig nicht mehr so mobil wie jüngere; für die aktive Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist Mobilität aber unerlässlich. Diesem Dilemma begegnet das Realexperiment, in dem älteren Menschen eine Rikscha inkl. Fahrer*in angeboten wird. Ehrenamtliche Fahrer*innen nehmen die Senior*innen in einer Rikscha zu Ausfahrten mit, was zudem der Gesundheit aller Beteiligten gut tut und den Alltag der Senior*innen bereichert. Damit wird Mobilität zu einem sozial verbindenden Element.

Umsetzung

Die Bürger-Rikscha bestand bereits bevor sie zu einem Experiment im Reallabor wurde. Im Rahmen des Reallabors wurden jedoch Methoden ausgewählt, mit denen die Nutzung der Rikscha dokumentiert und evaluiert werden konnte. Die ehrenamtlichen Fahrer*innen haben gewissenhaft ein Wegetagebuch geführt, welches dokumentiert, von welchen Personen zu welchem Zweck, wann und wie oft die Rikscha genutzt wurde. Vor dem Hintergrund einer umweltbezogenen Nachhaltigkeit war die Vermeidung von gefahrenen Auto-Kilometern ein Bewertungskriterium. Die Ziele des Realexperimentes gehen jedoch weit darüber hinaus und verweisen auf die soziale Funktion von Mobilität. Zur Erforschung der sozialen Nachhaltigkeit wurden im Rahmen einer separaten wissenschaftlichen Arbeit qualitative Interviews mit den Nutzer*innen geführt und daraus narrative Landkarten entwickelt. Diese Landkarten zeigen die Orte, die mit der Rikscha besucht werden und ordnen diesen Plätzen eine oder mehrere subjektive Bedeutungen zu: Orte mit funktionaler Bedeutung sind zur Versorgung notwendig (Arztpraxen, Apotheken, Einkaufszentren). Orte mit sozialer Bedeutung sind Orte der Zusammenkunft und des Austauschs mit anderen. Emotional bedeutsame Orte, sind Orte, die den Senior*innen am Herzen liegen, weil sie bestimmte Erinnerungen wecken (z.B. frühere Nachbarschaft) oder Sinneseindrücke ermöglichen (z.B. Vogelgezwitscher im Wald oder im Park lauschen). Damit auch Personen berücksichtigt werden können, die in ihrer Mobilität stärker eingeschränkt sind und mit denen eine Interviewführung wie oben beschrieben nicht möglich wäre, wurde ergänzend eine teilnehmende Beobachtung vorgenommen.

Ergebnisse

Im Untersuchungszeitraum wurden mit der Bürger-Rikscha 1868 km (251 Einzelfahrten) zurückgelegt. Davon wären ohne die Rikscha „nur“ 145,7 km mit dem Auto zurückgelegt worden. D.h. die Rikscha hat Fahrten generiert, die ohne das Angebot nicht unternommen worden wären. Auf den ersten Blick scheint das Ziel der Vermeidung von Wegstrecken somit nur teilweise erreicht worden zu sein. Die methodische Begleitung des Realexperiments hat jedoch Ergebnisse hervorgebracht, die darüber hinausweisen: Interviews, teilnehmende Beobachtung und Reflexion zeigen, dass die Rikscha einen hohen Beitrag zur Lebensqualität der Senior*innen leistet. Menschen mit körperlichen Einschränkungen beschränken sich häufig auf das Erreichen funktionaler Orte. Emotional und sozial bedeutsame Orte werden kaum noch erreicht (Auswertung narrative Landkarten). Das Angebot der Rikscha ermöglicht neben funktionalen Unternehmungen auch solche, die zur sozialen Teilhabe beitragen und Lebensbereiche wieder zugänglich machen, die sukzessive aufgrund der Mobilitätseinschränkung abhandengekommen sind. Dazu kommt, dass die Rikscha ein kommunikatives Verkehrsmittel ist. Durch das auffällige Gefährt finden positive Interaktionen mit anderen Verkehrsteilnehmer*innen statt. Dies wirkt sich positiv auf das Wohlbefinden der Senior*innen aus. Auch der direkte Kontakt zwischen Fahrer*innen und Fahrgästen trägt hierzu bei. Die Rikscha kann eine Art „Brücken-Mobilität“ darstellen: war vorher der Bruch zwischen völlig eigenständiger Mobilität und sehr starker Mobilitätseinschränkung gravierend, ist die Nutzung der Rikscha unabhängig vom Grad der Mobilitätseinschränkung möglich. Dadurch wird die Freude an der Bewegung erhalten und gefördert.

Fortsetzung

Die Bürger-Rikscha und der Verein „Bürger-Rikscha – Gemeinsam in Bewegung e.V.“ werden auch nach Abschluss des Reallabors intensiv durch die ehrenamtlich Engagierten weiterbetrieben: Eine Fundraising-Kampagne sowie die Förderung durch die Bürgerstiftung Stuttgart ermöglichte die Anschaffung eines Paralleltandems. Hier können zwei Fahrer*innen gleichzeitig in die Pedale treten; wird die Anstrengung für einen der beiden zu groß, kann pausiert werden. Dadurch kommen auch ältere Menschen und Menschen mit Behinderung wieder in den Genuss des „selber-Fahrradfahrens“. Interessierte, die selber ein Rikscha-Projekt einrichten möchten, haben mit dem Verein einen kompetenten Ansprechpartner, der Hilfestellung bei der Entwicklung eines eigenen Rikscha-Projektes geben kann. Daneben werden immer neue Fahrer*innen für das bestehende Projekt gesucht.

Zivilgesellschaftliche Praxispartner
Bürger-Rikscha – gemeinsam in Bewegung e.V.
Evelin Bleibler, Olaf Brandt, Walter Vogt, Peter Kungl

 

Koordination
ILPÖ – Institut für Landschaftsplanung und Ökologie
Eric Puttrowait

 

Wissenschaftliche Begleitung
Bianca Llerandi

Bearbeitungszeitraum
März 2016 – September 2017

www.rikscha-vaihingen.de

Akteursnetzwerk

Vergrössern

REALLABOR FÜR
NACHHALTIGE MOBILITÄTSKULTUR

FUTURE CITY LAB

Universität Stuttgart
Keplerstr. 11
D-70174 Stuttgart
info@r-n-m.net